Eine Designschau, wie es sie in Österreich noch nie gegeben hat

 Architekt Christian Kroepfl kuratiert im Rahmen der „Wohnen & Interieur“-Messe (15.03.-19.03.2023, Messe Wien) die Sonderschau „Nachhaltiges Design aus Österreich“. Was hier zu sehen sein wird, hat er schon vorab im Interview mit RX Austria & Germany verraten.

 

 

RX Austria & Germany: Herr Kroepfl, was ist im Rahmen der Sonderschau Nachhaltiges Design aus Österreich geplant?

Arch. DI Christian Kroepfl: Das Ziel dieser Sonderschau ist es, den Besucherinnen und Besuchern der „Wohnen & Interieur“ vor Augen zu führen, wie hoch die Qualität österreichischer Gestalter, Produzenten und Hochschulen ist und wie weit fortgeschritten wir auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit sind. Diese Sonderschau ist einzigartig in ihrer Zusammenstellung und ihrem Anspruch, das Thema wurde in dieser Konzentration und Qualität in Österreich noch nie präsentiert. Österreich ist ein kleines Land, in dem jeder gerne sein eigenes Süppchen kocht. Wenn man die Fülle seiner Möglichkeiten zeigen will, geht das aber nur, wenn man sich zusammenschließt. Und das machen wir.

Architekt Christian Kroepfl

© Harald Gorbach

Was möchten Sie den Besuchern vermitteln?

Christian Kroepfl: Design führt in der öffentlichen Wahrnehmung in Österreich immer noch ein Nischendasein. Sein wirtschaftliches Potential wird selbst von vielen österreichischen Produzenten im Gegensatz zu anderen Ländern erstaunlicherweise gar nicht richtig erkannt. Wagen wir einen kurzen Blick in die Geschichte: Nach dem Ersten Weltkrieg fiel mit den großen Industriegebieten auch der Großteil der Arbeit für Industriedesigner weg, der progressive Teil des Bürgertums förderte damals zumindest moderne Architektur. Der Ständestaat war rückwärtsgewandt und in der NS-Zeit wurden viele dieser Bauherren als auch Gestalter zur Flucht gezwungen oder ermordet. Es wäre interessant zu diskutieren, ob sich Österreich je von dieser Zeit erholt hat. Design wird hierzulande von der Bevölkerung oft eher mit (Kunst)-Handwerk in Verbindung gebracht als mit industrieller Gestaltung, vielleicht noch mit ein paar italienischen Möbeln. Der Begriff Designer ist auch beliebig: Ich kann beispielsweise einen „Wochenendkurs“ machen und „Interior Designer“ auf meine Visitenkarte drucken lassen, was oft genug geschieht. Eigentlich brauche ich dazu nicht einmal einen Kurs… Dass es hierzulande an Hochschulen sehr gut ausgebildete Gestalterinnen und Gestalter gibt, die mit hoher Professionalität auf diesem Gebiet tätig sind, wissen viele nicht. Design beschränkt sich selbstverständlich nicht nur auf Kleidung und Möbel, sämtliche Alltagsgegenstände oder beispielsweise Benutzeroberflächen von Computerprogrammen sind designt. Wir wollen Bewusstsein für Design schaffen und zeigen, dass Design und Nachhaltigkeit einfach und selbstverständlich zum Alltag gehören und dass diese gleichzeitig trotz hoher Qualität nicht unerschwinglich sein müssen.

Beleuchtungslösungen von NEU/ZEUG

Callisto_lamps © Philipp Kreidl

Was bedeutet „Nachhaltig“ für Sie und was macht gutes Design für Sie aus?

Christian Kroepfl: Es ist wichtig, das Produkt über seine gesamte Lebensdauer zu betrachten und es ist keine reine Materialfrage. Es muss bei der Produktentwicklung von Beginn an in Kreisläufen gedacht werden. Mit der Guut GmbH und Andrés Fredes habe ich einen „Eco-Design Guide“, eine Designleitfaden, basierend auf dem „Value Hill-Modell“ zu diesem Thema entwickelt, der auch anderen Firmen beim Gestalten dienen kann. Dieser basiert nicht nur auf den Ergebnissen des Forschungsprojektes KATCH-e und den daraus resultierenden Circular Design Strategien, sondern ermöglicht es, den Kreislaufwirtschaftsgedanken bereits in der Entwurfsphase der Kollektion zu verankern und ein Produktdesign zu entwickeln, welches den CO2-Fußabdruck über den gesamten Lebenszyklus minimiert.

Vielleicht beantworte ich das am besten anhand der neuen von Möbelserie finiix, die von Andrés Fredes und mir im letzten Jahr für die Guut GmbH entwickelt wurde und von der derzeit neue Modelle in Bau sind.  Die Serie „finiix“ soll nachhaltiges Möbeldesign für ein breiteres und jüngeres Zielpublikum öffnen. Die Serie, die von der Tischlerei Füchsl Möbelwerkstatt Gmbh gefertigt wird, besteht aus einem Bett, diversen Seitentischchen, einem Sideboard, einer Bar, einem Turm und einem Kasten. Sie wird momentan durch ein Sofa und einen Schreibtisch erweitert. Abhängig von der Produktgröße stellt sich der jeweilige Bausatz zusammen, um für den Endverbraucher intuitiv montier- und gleichzeitig leicht transportierbar zu sein. Beim Seitentischchen besitzen beispielsweise die zylindrischen Stäbe an den Enden der Stabreihen gegengleiche Holzgewinde, die Stäbe in der Reihenmitte sind gesteckt und die Beine an der unteren Platte mit Holzgewinden festgeschraubt. Beim Sideboard sind sämtliche äußeren (halbzylindrischen) Stäbe gesteckt, das Ganze wird durch vier zylindrische Stangen mit Füßen fixiert. Beim Bett oder beim Kasten sind die zu montierenden Elemente größer, eigens entwickelte Verbindungstücke kommen hier zum Einsatz und stellen die Langlebigkeit der finiix-Möbel sicher.

Durch die Reduktion aufs Wesentliche bei der Materialwahl und die Einfachheit der Verarbeitung wird sichergestellt, dass möglichst wenig Abfall beim Fertigungsprozess anfällt und die Produkte CO2-neutral gefertigt sowie alle verwendeten Materialien in Kreisläufen geführt werden. Durch die Verwendung von regionalem Holz aus nachhaltiger Bewirtschaftung beginnt unser Nachhaltigkeitsverständnis bereits bei der Rohstoffauswahl und inkludiert selbstverständlich auch die ethischen und sozialen Standards hinsichtlich der Arbeitsbedingungen.

Welche Designer werden erwartet und was stellen sie vor?

Christian Kroepfl: Es sind mit der TU Wien und der FH Wiener Neustadt zwei Bildungsinstitutionen vertreten, die in der Forschung auf dem Feld der Nachhaltigkeit federführend sind. Die TU präsentiert hier mit ihrem „Center for Geometry and Computational Design“ vorab ihren heurigen Beitrag für die Biennale in Venedig, die FH ist mit dem Innovation Lab, ihrem Makerspace, und dem ECO-Design-Studiengang sowie angehängten Start-ups vertreten. Mehrere Aussteller lehren an unterschiedlichen Universitäten und Fachhochschulen im In- und Ausland. Die Interessenvertretung der österreichischen Designer - „designaustria“ - ist mit dem „Cluster for Sustainable Design“ vertreten und zusätzlich stellen auch mehrere Preisträger in- und ausländischer Designpreise bei der Sonderschau aus. Wir haben einen guten Mix aus 28 verschiedenen, in ihren jeweiligen Bereichen führenden Austellern: Architektinnen, Designer, Künstlerinnen, ausgesuchte Produzenten und nachhaltige Materialien.

Martin Breuer-Bono, ein Meister minimalistischen Designs, wird erstmals THE WALL bookshelf präsentieren. Florian Seidl lehrt an unterschiedlichen Universitäten in Italien und zeigt seine international mit Preisen überhäuften Designs für LAVAZZA. Die Künstlerin und Designerin Irene-Maria Ganser, die für Alfa Romeo oder Chopard arbeitet, zeigt ihre benutzbare Kunst. Johannes Haberl Essentials ist eine Möbellinie, die sich an den urbanen Nomaden ebenso richtet wie an den qualitätsbewussten Individualisten auf der Suche nach einer nachhaltigen mobiliaren Grundausstattung. Agathe Descamps und Karoline Seywald zeigen neue als auch neuinterpretierte außergewöhnliche Kindermöbel. 

„Gradient Stool“ von Philipp Aduatz

Gradient_Stool ©Aduatz

Hedwig Rotter hat sich mit ihrem Label mano design auf die Verarbeitung von Bonechina Porzellan spezialisiert und ist eine Fixgröße österreichischen Designs. In ihrem Atelier in Ottakring entwirft und produziert sie feinste Tableware, farbenfrohe Wohnaccessoires und stimmungsvolle Leuchtobjekte. Sämtliche Produkte werden in aufwendiger Handarbeit mit viel Liebe zum Detail hergestellt.

Vera Purtscher zeigt ihre unglaublich beeindruckenden Lösungen zum Thema Tischkunst edelstes Besteck und extravagante Gläser. Die an der Universität für Angewandte Kunst lehrende Staatspreisträgerin

Miki Martinek setzt Design bewusst in den Kontext mit Zeit und schafft damit eine Balance zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und präsentiert ihre beispiellosen Objekte erstmals auf der „Wohnen & Interieur“.

Der renommierte Designer und Lehrende an der New Design University, Philipp Aduatz, zeigt seine international gefragten aufregenden 3D-Objekte. Ante Up und Studio Red, aufstrebende Designstudios aus Wien, präsentieren ihre innovativen Lösungen zu Möbeln und Nachhaltigkeit.

Uta Belina Waeger, die aktuelle Staatspreisträgerin für experimentelles Design, zeigt ihre spielerischen Entwürfe zum Thema Möbel und verbindet gekonnt Kunst mit Design.

Die beiden Designer Gerd Rosenauer und Werner Daxberger von X-Visions, zwei der vielfältigsten Designer Österreichs zeigen fantasievolle neue Lösungen, wie mit Raum umgegangen werden kann.

NEU/ZEUG zeigt wunderschöne Lösungen im Beleuchtungsbereich.

Die Tischlereien, die mit zu den besten Österreichs gehören: Huber Feldkircher aus Dornbirn, die Möbelmanufaktur J. Pehack aus Wien, die Manufaktur Schmidinger aus Schwarzenberg und das Studio Wuschko aus Ulrichsberg zeigen einige ihrer mit unglaublicher Präzision und mit Liebe zum Detail gefertigten Möbel, manch ein Klassiker ist darunter.

Gabarage führen uns in die Welt des Upcyclings. Hempstatic zeigt uns, wie man nachhaltige Materialien im Akkustikbereich einsetzt. PLAST-IQ ist mit ihren recycelten Hochbeet-Systemen dabei. Die Urgesteine auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit, die Materialnomaden – ohne sie wäre Circular Design in Österreich nicht denkbar – bieten auf der „Wohnen & Interieur“ Expertise zu Architektur, Stadtplanung, Baudurchführung und Restaurierung, Kunst und Design, sowie Tragwerksplanung und angeleitetem Selbstbau. Mit ihrer Pionierarbeit setzen sie wichtige Entwicklungsschritte, um kreislauffähige Prozesse in der Baubranche voranzutreiben.

Sie sehen, es ist für einen interessierten Menschen unmöglich, in dieser Ausstellung nicht etwas für sich zu finden. Lassen Sie sich überraschen bzw. schauen Sie sich – und das sage ich mit aller Bescheidenheit – den mit Abstand interessantesten Stand der „Wohnen & Interieur“ an. Zu finden sind wir in der Halle A, Stand 0315.

Ein Bett aus der Möbellinie Johannes Haberl Essentials.

Bett_8 ©Johannes Haberl

Welche Ihrer von Ihnen designten Möbel stellen Sie aus und welche Funktionen haben diese Möbel?

Christian Kroepfl: Zusammen mit dem Label Massivholz-Design zeige ich ein oder zwei ausgesuchte Objekte aus deren Kollektion. Der Tisch KG1 ist eine optimierte Version des von mir entworfenen Modells KT11, das im Jahr 2014 beim damaligen Auftritt auf der „Wohnen & Interieur“ Premiere feierte und nicht nur bei Besuchern, sondern auch bei mehreren österreichischen Produzenten nachhaltig für Eindruck gesorgt hat – finden sich doch in diversen Kollektionen Stücke, die vom KT11 inspiriert wurden. Auch das ist eine Form von Nachhaltigkeit. Mit der „Guut GmbH“ präsentiere ich Stücke aus der von Andrés Fredes und mir designten Möbelserie "finiix", der ersten CO2-negativen Möbelserie Österreichs für den Innenbereich. Weiters arbeite ich im Augenblick mit einer Partnerfirma an mehreren Prototypen diverser hybrider Möbel und wenn alles glatt läuft, werden davon einige auf der „Wohnen & Interieur“ im März zu sehen sein.

 

Sonderschau „Nachhaltiges Design aus Österreich“: "Wohnen & Interieur"-Messe, 15.03.2023 - 19.03.2023, Halle A, Stand 0315

Jaqueline Pehack, die ihre Werke ebenfalls im Rahmen der Sonderschau präsentiert, an ihrem Arbeitsplatz.

Moebelmanufaktur JPehak © Nadja Meister